Nadav Kander
18 April - 04 June 2011
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NADAV KANDER
Yangtze - The Long River
10 April – 4 Juni 2011
„Wie kann man so verwurzelt mit einem Land sein und es dennoch so rücksichtslos vorantreiben und neu erfinden?"
Nadav Kander
Fünfmal bereiste Nadav Kander zwischen 2005 und 2007 den Jangtsekiang
stromaufwärts, von der Mündung im Ostchinesischen Meer bis zur Quelle im
Qinghai-Plateau von Tibet. Nie mehr als 20 Meilen entfernt vom Fluss
entstand die Fotoserie Yangtze - The Long River, die die tief
einschneidenden Veränderungen der Uferlandschaften infolge einer
ungezügelten Modernisierung Chinas dokumentiert. Großprojekte wie der
Drei-Schluchten-Staudamm und das Süd-Nord-Wassertransfersystem,
gigantische Brücken, hochgezogene Wohnblöcke westlicher Bauart schlagen
Wunden in die Landschaft und rauben viel von ihrer Schönheit und Idylle.
Unversöhnlich existieren Tradition und Moderne nebeneinander am „Großen
Fluss", der für die Chinesen sowohl historisch als auch spirituell
stets eine wichtige und Identität stiftende Rolle spielte.
Nadav Kander fotografierte dunstig-neblige Landschaften, deren
gelblich-graue Farbe an Luftverschmutzung erinnert; Landschaften, die
verunstaltet sind durch massive bauliche Eingriffe im Namen des
Fortschritts. Über den Fluss ragende, noch im Bau befindliche
Brückenteile verstärken den Hinweis auf den rasanten wirtschaftlichen
Wandel, indem sie das Prozessuale hervorheben. Diese im Bild
festgehaltene, implizite Dynamik geht eine spannungsvolle Beziehung ein
mit der Weite und Stille der kontemplativen Landschaft. Aus ihrem
sozioökonomischen Kontext gehoben, besitzen Kanders Fotografien die
melancholische Schönheit der romantischen Landschaftsmalerei. So etwa
wenn Menschen sich zu einem Picknick unter riesigen Brückenpfeilern in
Chongqing einfinden und neben ihnen ein kleines chinesisches Boot
ankert.
Die Menschen am Fluss sind in Kanders Bildern stets präsent, wirken
jedoch immer klein und verloren angesichts der Größe und Erhabenheit der
Landschaft einerseits und der Gewalt des Fortschritts andererseits.
Ohne Einfluss auf die Entwicklung nehmen zu können, müssen die Bewohner
den hemmungslosen Wandel ihrer Umgebung hinnehmen und sich damit
abfinden, dass es die Landschaft aus Kindheitstagen für sie nicht mehr
gibt. In der Landschaft eine Konstante zu erfahren, ist vielen Menschen
fremd geworden.
Im Jangtsekiang mit seinen Uferlandschaften sieht Nadav Kander das
Sinnbild eines unnatürlich schnellen und oft genug inhumanen
Fortschritts. Sein Werk ist eine ins Bild gesetzte sehr persönliche
Reflexion über die sozialen und ökologischen Konsequenzen der
wirtschaftlichen Entwicklung des modernen China.
Kanders Fotoserie besticht durch ihre Vielseitigkeit, die die eindeutige
Zuordnung zu einem fotografischen Genre verweigert:
Dokumentarfotografie, die zum Nachdenken anregt, vermischt sich mit
künstlerisch inspirierter Landschafts- und Architekturfotografie, die
zum Meditieren einlädt. Die klare Formensprache der Aufnahmen vermag auf
der künstlerischen Ebene Gegensätzliches zu versöhnen: Die Auswüchse
der menschlichen Intervention sind zwar ein Makel in der Landschaft,
jedoch ein Makel, der als interessantes Detail einer sorgfältigen
Komposition dem Bild oftmals Reiz und Schönheit verleiht. Diese
„paradoxerweise schönen Fotografien", wie es Kofi A. Annan in der
Einleitung zu der Monografie Yangtze - The Long River treffend
formuliert, „[sprechen] eine darüber hinausgehende Wahrheit an. Die
Fotografien erinnern uns an die Fragilität unserer Welt und an den
Schaden, den wir angerichtet haben – Schaden, der über die Grenzen
nationaler Staaten hinausgeht."
Estella Kühmstedt
VITA
Nadav Kander, 1961 in Israel geboren und im südafrikanischen
Johannesburg aufgewachsen, zählt zu den renommiertesten Fotografen der
Gegenwart. Als Jugendlicher begann er mit dem Fotografieren und
entwickelte nach seiner Einberufung Luftaufnahmen für die South African
Air Force.
Die fotografische Bandbreite Kanders umfasst künstlerische,
redaktionelle und werbliche Arbeiten, die in Büchern und zahlreichen
Magazinen wie Sunday Times Magazine, Rolling Stone, Another Man und
Dazed & Confused erschienen sind. 2009 widmete das New York Times
Magazine eine ganze Ausgabe mit Kauders „Obama’s People", einer
Porträtserie des gesamten Ministerstabs und der engsten Mitarbeiter
Obamas.
Kander erhielt zahlreiche Auszeichnungen und wurde 2009 im Rahmen der
Annual Lucie Awards zum International Photographer of the Year ernannt.
Im selben Jahr gewann er für die Serie »Yangtze, The Long River« den
Prix Pictet. Dieser renommierte Fotopreis widmet sich dem Thema
"Nachhaltigkeit" und zeichnet Arbeiten von Fotografen aus, die besonders
eindringlich Umweltzerstörung und Raubbau an Ressourcen dokumentieren.
Seit 1986 lebt Nadav Kander mit seiner Familie in London. Seine Arbeiten
sind Teil der Sammlungen der National Portrait Gallery sowie des
Victoria und Albert Museums in London.
www.forum-fotografie.info
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